Marie Fischer
geb. Felix

Hausfrau. Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime. Hingerichtet.

* 1903    † 1943

 

Lebenslauf

Marie Fischer wurde als Marie Felix am 12.09.1903 in Wien geboren. Da ihre Mutter nach dem Tod des Gatten nicht mehr alle fünf Kinder ernähren konnte, wurde Marie im Alter von 7 Jahren nach Slowenien geschickt. Im Laufe des 1. Weltkrieg kehrte sie nach Wien zurück. Sie arbeitete schließlich als Hausgehilfin, und trat 1927 aus der Kirche aus. Sie hatte zusammen mit ihrem Mann Rudolf eine Tochter, Erika.

Widerstand, Erinnerungen der Tochter Erika, Todesurteil, Hinrichtung

Marie Fischer half ihrem Mann Rudolf bei dessen Arbeit im Widerstand. Sie arbeitete zur Tarnung in der sozialen Arbeitsgemeinschaft, war Mitglied der illegalen Stadtleitung der KPÖ.

Ihre Tochter Erika erinnerte sich: "Später arbeitete meine Mutter auch in anderen Bezirken..., diente daher auch oft als Verbindungsmann. Sie half auch meinem Vater bei dessen Arbeit, und sie waren gut aufeinander eingespielt. Beide gehörten der illegalen Wr. Stadtleitung an. Mein Vater gab eine Zeit lang auch "Weg und Ziel" heraus... Kurz vor Weihnachten 1940 erfuhr mein Vater, dass die Gestapo in seinem Betrieb gewesen war. Er rief bei Nachbarn an...: 'Christl (eine Freundin meiner Mutter) kann jeden Augenblick kommen, räum´die Weihnachtsgeschenke weg.´Meine Mutter teilte mir das in der gleichen Form mit. Ich verstand nicht (ich war elf Jahre alt damals). Da hab ich meine Mutter einmal böse gesehen. Sie meinte, solche verschlüsselten Texte müsste ich verstehen, denn man muss sich auf mich verlassen können."

Marie Fischer wurde am 29.4.1941 verhaftet. Am 16.1.1943 erfolgte ihre Verurteilung zum Tode. Die Hinrichtung wurde am 30.3.1943 im Landesgericht I in Wien vollstreckt, ihr Mann war bereits am 28.1.1943 hingerichtet worden.

Brief an ihre Tochter Erika und ihre Angehörigen (Auszug), v. 14.2.1943

“Mein liebes, tapferes Kind! Alle meine Lieben! Eure Briefe habe ich erhalten. Den ersten am 20.1., den zweiten jetzt. Ich bin so glücklich, Erika, dass du so gut durchhaltest. So glücklich! Ich bin über mein, über unser aller Schicksal nicht unglücklich oder traurig. Ich habe mich abgefunden mit meinem Los. Ich wäre nur traurig, wenn ich wüsste, dass es dir schlecht ginge, und du vor lauter Jammer Gefahr laufen würdest, krank zu werden. Aber bleibe weiter tapfer! Wir leiden und sterben, so wie wir gelebt haben...”

Quelle: Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. Band 1, Seite 301. Wiener Stern Verlag 2016

Aufsatz von Erika, der Tochter von Maria Fischer, anlässlich eines Literaturwettbewerbes 1946/1947 (Auszug)

1946 lobte das Bundesministerium für Unterricht einen Literaturwettbewerb mit dem Titel “Die Jugend schreibt” aus. Einsendeschluss war der 10. Jänner 1947. Erika Fischer, die Tochter von Marie und Rudolf Fischer, nahm 17jährig daran teil und erhielt einen Preis für ihren Aufsatz. Er wurde mit den anderen prämierten Aufsätzen in “Ringende Jugend” (Wien 1948) publiziert.

“Die letzte Tür auf einem langen Gange im Wiener Landesgericht führt zum Großen Schwurgerichtssaale. Der Gang ist mit hellen Fliesen gepflastert, auf denen die Schritte hallen; auf der einen Seite stehen Bänke, und das Licht flutet aus breiten, hohen Fenstern herein.

Dumpf summte mir das Stimmengewirr der wartenden Menschen in den Ohren, und immer wieder hämmerte mit gleichbleibender Wucht der Gedanke, dass heute meine Mutter ihre Verhandlung habe, in meinem Gehirn. […] Die Uhr rückte auf neun. Bei den Wachleuten und Gerichtsdienern machte sich eine gewisse Geschäftigkeit bemerkbar. Es waren in mehreren Sälen zugleich Verhandlungen, lauter „schwere Fälle“ - lauter Politische. Plötzlich ging eine Tür auf und meine Mutter trat, begleitet von zwei „Posten“, heraus. „Mutz!“, rief ich laut, dann stürzte ich auf sie zu. Abwehrend streckte der Wachmann die Hände vor, aber ohne zu überlegen, schlüpfte ich unter seinen Armen durch und war bei meiner Mutter...”

Quelle: Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. Band 1, Seite 297. Wiener Stern Verlag 2016

Maria-und-Rudolf-Fischer-Hof

Im 10. Wiener Gemeindebezirk (Laxenburger Straße 98) wurde eine Wohnhausanlage der Gemeinde Wien im Jahre 1949 nach Marie Fischer und ihrem Mann benannt.

Gedenkort - Landesgericht für Strafsachen Wien

Im ehemaligen Hinrichtungsraum des Landesgericht für Strafsachen Wien findet sich ihr Name auf einer der Gedenktafeln.

Gedenkort - Gruppe 40, Zentralfriedhof

In der Gruppe 40 wurden die im Wiener Landesgericht Hingerichteten beerdigt. 2013 wurde die Gruppe 40 zur Nationalen Gedenkstätte erklärt.

Quellen und Bildnachweise

  • Willi Weinert, "Mich könnt ihr löschen, aber nicht das Feuer". 4. Auflage Wiener Stern Verlag, 2017
  • Lisl Rizy, Willi Weinert, „Mein Kopf wird euch auch nicht retten“. Korrespondenzen österreichischer WiderstandskämpferInnen aus der Haft. 4 Bände. Wiener Stern Verlag 2016
  • Porträtbild: Willi Weinert oder Wiener Stern Verlag
  • Bild Fallbeil/Guillotine: Leihgeber Kurt Brazda
  • Andere Bildrechte: Angabe bei Anklicken des Bildes (Bildinformation)
  • Andere Bilder: Privatbesitz oder Verein Zur Erinnerung

Hauptwerke zur Gruppe 40

Weiterführende Informationen

  • DÖW Katalog zur permanenten Ausstellung. Hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, Wien 2006
  • Wolfgang Neugebauer, Der österreichische Widerstand 1938-1945, Wien 2008
  • Die Geschichte des Grauen Hauses und die österreichische Gerichtsbarkeit, Wien 2012
  • DÖW (Hg.) Widerstand und Verfolgungen in den österreichischen Bundesländern (Wien, Burgenland, Oberösterreich, Tirol, Niederösterreich, Salzburg), Wien 1975-1991
  • Heinz Arnberger, Claudia Kuretsidis-Haider (Hg.) Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand und Verfolgung, Exil, Befreiung, Wien 2011
  • Brigitte Bailer, Wolfgang Maderthaner, Kurt Scholz (Hg.), „Die Vollstreckung verlief ohne Besonderheiten“, Wien
  • Herbert Steiner, Gestorben für Österreich. Widerstand gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1995
  • Herber Steiner, Zum Tode verurteilt: Österreicher gegen Hitler. Eine Dokumentation, Wien 1964

Web-Hinweise


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